In Berlin wird gerade wieder heiß diskutiert. Der Spätsommer weicht langsam dem Herbst und die Eltern drehen wieder alle am Rad. Sie drehen das Rad, müsste es eigentlich richtig heißen, denn um die Kinder in die Schule zu bekommen wird der übergroße SUV gestartet und die Räder drehen sich, bis vor die Schultür. Danach dann am besten noch bis in das Klassenzimmer hinein. Meine Eltern waren da etwas anders. Sie haben mich pünktlich vor die Tür geschubst, wo ich mit meiner Cousine, sie wohnte direkt gegenüber, den Weg zur Schule begann. Wir mussten den Schulweg ab der ersten Klasse alleine bewältigen. 1 Kilometer. Im Winter war es da auch gerne noch Dunkel und kalt. Hat damals keinen gekümmert.
Der Schulweg: Verkehrschaos durch „Gluckende“ Eltern
Weder meine Cousine, noch ich, wären auf die Idee gekommen, unsere Eltern zu fragen ob sie uns zur Schule fahren würden. Obwohl das Benzin damals noch wesentlich billiger war, blieb das Auto stehen, der Motor aus. Was hat sich aber seit den Achtzigern geändert? Klar, wir leben in einem neuen Jahrtausend, aber wollen wir nicht, das unsere Kinder selbständig werden? Was ist Schuld daran, dass wir die Kinder am besten bis ins Klassenzimmer bringen wollen?
In den USA war es in den Siebzigern und Achtzigern normal alles mit dem Auto zu machen. Ich vermute, dass die Amerikaner zu dem Zeitpunkt noch nichts von Fahrrädern und Fußgängern gehört hatten. In jeder Familienserie und in jedem Familienfilm werden die Kinder mit dem Auto zur Schule gebracht. Das prägte anscheinend eine ganze Generation von Kindern, die nun selber Eltern sind. Aber auch das Gefühl der latenten Unsicherheit ist in den Köpfen der meisten Eltern verankert. Dem Kind soll nichts passieren. Uns ist damals ja auch nichts passiert. Die Angst kommt von der massiven Zunahme von Gewalt im Fernsehen. Auf jedem Kanal läuft ein Krimi oder eine Crime-Serie. Dadurch haben wir jeden Tag das Gefühl, dass den Kinder, sobald wir sie alleine lassen, etwas passieren könnte. Dabei sind die heutigen Zeiten nicht unsicherer als damals, nur unser Gefühl für die Sicherheit hat sich verändert. Ein weiteres Beispiel: Die 30’er Zone war damals in den Achtzigern noch nicht mal erfunden und wir haben es trotzdem über alle Kreuzungen geschafft. Ein Dank an alle Schülerlotsen 😉
Der Schulweg führt zum Verkehrschaos
Das wir nun ein Verkehrschaos vor den Schulen haben und beim Senat über Fahrverbotszonen zu frequentierten Zeiten rund um die Schulen diskutiert wird ist für mich völlig unverständlich. Einerseits regen wir uns alle über die Dummheit der Menschheit, in Bezug auf den Umgang mit den Ressourcen der Erde und der Umweltverschmutzung auf, aber andererseits fahren wir unsere Kinder jeden morgen mit einem 2 Tonnen Koloss zur Schule. Ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, was wir damit für einen Fußabdruck auf der Erde hinterlassen. Wir sollten uns auch überlegen was wir den Kinder damit antun. Die Erziehung meiner Eltern hat mich zu einem mutigen und selbstbewussten Mann gemacht. Ich kann das von meiner Cousine in fast allen Punkten auch behaupten, bis auf die Tatsache, dass Sie ja kein Mann, sondern eine mutige und selbstbewusste Frau geworden ist. Wir hatten Zeit, konnten über alles mögliche sprechen und alles mögliche untersuchen. Der Schulweg alleine zu Fuß war etwas ganz natürliches. Er war oft ein großes Abenteuer. Es war für uns der erste Schritt in unsere eigene Welt, in die Kinder sowieso irgendwann, ohne ihre Eltern eintreten.