Wir sind mit – und natürlich auch wegen – den Kindern aus Berlin weg gezogen.

„Grüner ist es draußen!“ haben sie gesagt. „Viel ruhiger ist es in Brandenburg.“ haben sie gesagt. „Die Schulen sind viel strenger und besser in Brandenburg!“ haben sie gesagt. „Das wird toll für eure Jungs!“ haben sie gesagt.

Vorsicht: das hier wird ein Hass-Artikel.

Ich mag Hater eigentlich nicht. Aber das muss raus, ich muss mir den Frust mal von der Seele rotzen. Also bitte kurz innehalten und überlegen, ob ihr weiterlesen mögt. 😉

Wir sind aus dem turbulenten, dreckigen, lauten, bunten Berliner Wedding in eines kleines nettes Städtchen vor den Toren Spandaus gezogen. Mit etwas Glück haben wir eine Wohnung direkt im Zentrum gefunden. Ein lachendes und ein weinendes Auge waren involviert. So weit so gut.

Passend zum Schulanfang sind wir umgezogen, so konnte unser Großer gleich zum neuen Schuljahr eine neue Schule kennen lernen. Aber welche Schule ist für uns zuständig?

Erstmal gar keine, wurde uns gesagt. Wie jetzt, er hat keinen festen Schulplatz?? Nee, wir müssen uns bei den Grundschulen anmelden und sehen, ob die noch Platz für uns haben. Ein erster Schockmoment für uns. Was, wenn wir unseren Großen bis nach Mecklenburg fahren müssen, weil es hier nirgends Platz für ihn gibt?

Glück gehabt, Platz gefunden. Die Schule ist nett, tatsächlich genauso groß, wie die Schule auf dem Wedding es war. Die Klasse: 25 Schüler, 1 Lehrerin. Punkt. Keine zweite Lehrkraft? Keine Erzieher dauerhaft dabei? Fehlanzeige. Sowas führt natürlich dazu, dass störende Schüler nicht in die Pause gehen dürfen und ähnlich antiquierte Erziehungs- und Lehrmethoden angewandt werden. Gottseidank kommt mein Großer gut bei seinen Lehrern an und hat keine Probleme. Manch anderes Kind tut mir leid. Digitalen Unterricht gibt es nicht, gewisse Lern-Apps wurden erst beim zweiten Lockdown entdeckt, aber nicht genutzt.

P.S.: Auf der Weddinger Schule waren es 21 Kinder, 2 Lehrerinnen und eine Erzieherin. Im ersten Lockdown wurde sofort intensiv online und digital gearbeitet – verpasst hat mein Sohn nichts.

Noch ein Nachtrag zur Brandenburger Schule: Falls die Kinder in der Schule auch spontan mal was malen wollen, wurden die Eltern dafür um Papierspenden gebeten…

Jetzt noch einen Hort-Platz an der Schule kriegen – Daumen drücken.

Nur gibt es direkt an der Schule gar keinen Hort, und der zur Schule gehörige (15 Gehminuten von selbiger entfernt) hat keinen Platz mehr frei. Gottseidank engagiert sich der Arbeiter-Samariter-Bund hier enorm und hat auch einen Hort – mit Platz für uns. Sogar mit Fahrdienst, eine Riesen-Erleichterung. (An dieser Stelle mal ein ehrliches DANKE! an den ASB, wo wäre das kleine Städtchen ohne euch?)

Essen in der Schule kostet extra. Hort-Betreuung kostet extra.

Beantragung für die Betreuung mit allen Unterlagen und Gehaltsnachweisen bei der Stadt und beim ASB – nervig und kompliziert. Da ich in Teilzeit arbeite, wird mir kein erweiterter Betreuungsumfang zugestanden. Erstmal kein Problem. Wenn er nach der Schule noch 2 Stunden in den Hort darf, easy.

Lustig wird es erst in den Ferienzeiten. Da darf ich ihn nur 6 Stunden abgeben – ungünstig, wenn ich 6 Stunden arbeite und die Fahrzeit noch dazu rechnen muss.

Die Stadt sei mit nicht-städtischen Einrichtungen sehr engstirnig und unkooperativ, hat man mir gesagt.

Wie schade! Denn würde die Stadt selbst für genügend Einrichtungen sorgen, gäbe es das Problem gar nicht erst. Corona hat uns bisher gerettet. Darf ich Home-Office machen, schaffe ich die engen Bring- und Abholzeiten gerade so.

P.S.: In Berlin waren Verpflegung und Hort für Grundschüler kostenfrei, der Hort war direkt mit an der Schule, die Ferienbetreuung war genauso lang, wie in der Schulzeit…

Nun zu meinem kleinen Sohn:

Behütet in der Weddinger Eltern-Initiativ-KiTa mit 25 Kindern und 8 liebevollen Erziehern, hätten wir den ganzen Laden am liebsten eingepackt und mitgenommen. (Link eingefügt, weil die KiTa super ist!)

Klar, es ist überall schwierig, von jetzt auf gleich einen KiTa-Platz zu bekommen (warum eigentlich??).

Im grünen, idyllischen Brandenburg: Keine Chance. Alles voll. Einen Platz ab dem dritten Lebensjahr muss man sich noch vor Geburt korrumpieren, wurde mir scherzhaft mitgeteilt. Es gibt auch keine kleinen Einrichtungen. Kindergärten sind gleich mit 100 Kindern plus bestückt, ich freue mich schon auf Prügeleien zwischen 4-Jährigen, auf Läuse und auf ständige Krankheiten.

Immerhin gibt es einige Tagesmütter im Städtchen (wieso gibt es eigentlich immer noch keine Tagesväter?) und eine davon hat unseren Zwerg bei sich aufgenommen.

Auch unsere Tagesmutter sagt, die Stadt ließe sie mit ihren Problemen allein.

Ein Kind soll sie manchen Tag von 8 bis 20 Uhr betreuen und den nächsten nur für 3 Stunden. Wie sie das abrechnen und mit eigenen Kindern organisieren soll, ist der Stadt egal. Auch hier wieder mein Unverständnis für die wenige Dankbarkeit der öffentlichen Hand an all diejenigen, die „Kinderhaltung“ in Brandenburg überhaupt möglich machen.

Mein Eindruck ist, die Mütter sollen gefälligst mit den Kindern zu Hause bleiben, denn:

Kleinkinder bis zum Schulalter fremdbetreuen zu lassen, ist hier nicht nur schwierig, sondern extrem kostenintensiv.

Jedes Jahr werden die Eltern gegängelt, ihre kompletten Finanzen offen zu legen – es soll ja kein Euro verdient werden, der nicht relevant wird, für die Betreuungskosten. Es lohnt sich gerade so, arbeiten zu gehen. Vom Benefit, mit anderen Kindern gemeinsam sozialen Umgang zu lernen, mal ganz abgesehen.

Wollen wir unseren 2-Jahre alten Knirps dann später in einen Kindergarten geben, geht der Ärger von vorn los.

Die einzige freie/nicht religiöse KiTa in der Nähe ruft freche Preise aus. Würden wir unseren Knirps dort hin bringen, hätten wir pro Monat Kosten von etwa 400€ von der Stadt plus ca. 500€ Beitrag für die KiTa – Essen kostet extra. Und möchte man das Kreativ-Angebot der sich mit Kreativität rühmenden Einrichtung überhaupt mit nutzen, nochmal 100€ (Ausflüge kosten wieder extra). Einen Platz haben die wohl immer frei – bei dem schlechten pädagogischen Ruf, kein Wunder.

Mein Gehalt wäre dann damit wohl weg!

Zum Vergleich: Brandenburg denkt zum wiederholten Male darüber nach, Eltern zu entlasten und Kinder ab dem 3. Lebensjahr günstiger oder gar umsonst betreuen zu lassen. Es passiert nur nie.

Berlin hat seit 10 Jahren die Regelung, dass Kinder ab 3 kostenfrei betreut werden. Seit einigen Jahren ist auch die Betreuung ab dem ersten Lebensjahr UMSONST! Eine freie KiTa darf allerhöchstens einen Zusatzbeitrag von etwa 100€ verlangen und das auch nur, wenn sie BIO-Essen anbietet.

Die Knausrigkeit was Kinder angeht, findet sich in Brandenburg überall.

Mitten in dem Städtchen in dem wir wohnen, gibt es nur einen einzigen Spielplatz (lächerlich, diesen so zu nennen, es ist eine marode Doppel-Schaukel. Punkt. Hier stehen Kinder manchmal Schlange, weil es nichts anderes gibt):

Spielplatz Brandenburg
Spielplatz in Brandenburg – Öhöm!
Spielplatz in Brandenburg
Sie meinen es wirklich ernst. *Räusper*

Der nächste etwas größere Spielplatz mit mehr als 3 Geräten ist eine ganze Regionalbahnstation weit entfernt.

Fußläufig etwa 45 Minuten. Überhaupt kommt man vom Bahnhof in frühestens 20 Minuten zu irgendwelchen „Spielplätzen“. Keiner davon so gepflegt, abwechslungsreich und schön, wie die 4(!) Spielplätze, zu denen wir auf dem Berliner Wedding höchstens 5 Minuten laufen mussten.

Die Oma schleicht sich mit den Jungs manchmal auf den Spiel- und Sportbereich einer Schule in der Nähe…

Fahren wir mal wieder nach Berlin, sind wir und die Jungs jedes Mal wieder überwältigt, wie viele tolle Spielplätze es überall in der Hauptstadt gibt. Das vermisse ich ehrlich. Ich sage mir immer, bald sind die Kinder groß, dann ist es uns egal. Aber ich möchte es doch jetzt auch schön haben, mit und für meine Kids.

Es ist mir ein Rätsel wie man so konservativ (oder, wie es ein Freund aus Berlin empfand: reaktionär) mit dem Thema Kinderförderung umgehen kann. Und das auch noch, bei einer (sozialen??) rot-roten Regierung.

Die Stadt ist die zuzugsreichste Stadt Deutschlands seit 1990. Da sind auch Kinder dabei! Und die kriegen auch wieder Kinder!

Diese kurzfristige, reaktionäre und kurzsichtige Art, Steuergelder einzusetzen, halte ich nicht nur für wenig nachhaltig sondern geradezu für sträflich. Die Nähe zu Berlin, mit allen Pendlern die die Unterschiede schmerzhaft kennen, macht es noch schlimmer.

Liebe Berliner: Bevor ihr nach Brandenburg zieht, überlegt, ob eure Kinder schon groß genug sind! Oder ob ihr noch irgendwo Verwandte in Berlin habt, bei denen die Kinder angemeldet bleiben können. So wie manch verzweifelter Brandenburger es mir schon gebeichtet hat…

In Brandenburg soll es ja auch wieder Wölfe geben.

Die dürfen jetzt abgeschossen werden.

Hoffentlich geht es unseren Kindern nicht auch bald so.

Danke fürs Lesen. 😉


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