Hallo Leopold, du hast mit deinem Vater eine Brennerei eröffnet. Stellt euch und eure Brennerei doch kurz vor:

Knackig formuliert sind wir ein Team aus Vater & Sohn – mit dem Fokus voll auf Single Malt Whisky. Seit 2018 bauen wir in Eigenregie unsere Brennerei aus, machen fast alle Arbeiten auf der Baustelle selbst. So haben wir nicht nur die volle Kontrolle über die technischen Details, auch können wir die Destillerie bei Bedarf erweitern. Im Kulturbahnhof Erfurter Zughafen haben wir dafür beste Voraussetzungen. Wir haben tolle Nachbarn aus der Event- und Gastronomieszene, Künstler, Musiker, ein kleines Café auf der Anlieferungsrampe. Nicolai & Sohn ist eine urbane Brennerei auf aktuell über 300 Quadratmetern, keine 10 Minuten vom Erfurter Bahnhof entfernt.

Wie seid Ihr auf die Idee gekommen eine Brennerei zu eröffnen?

Wie so oft im Leben ist es ein Mix aus vielen Dingen. Nico hatte schon immer eine Vorliebe für das Handwerkliche, stark geprägt durch seine Arbeiten aus der Kunst. Er liebt es, sich in komplexe Themen hineinzudenken, Prozesse zu analysieren. Whisky ist wie Kunst für Nase, Mund und Gaumen – es lag auf der Hand, dass tiefer in die Welt der Single Malts einsteigen wollten. Gerade die Arbeit mit Rohstoffen ist enorm reizvoll, auf unseren Reisen durch Schottland und Deutschland wuchs unsere Faszination für das Handwerk. Wir haben alles und jeden besucht, was uns unter die Finger kam, zahlreiche Gespräche geführt und so Stück für Stück unser Wissen erweitert.

Erst ist man Whiskyfan, viele Jahre, dann will man hinter die Kulissen schauen und es selber versuchen. Eine komplette Destillerie aufzubauen, schien da gerade verrückt genug. Natürlich wuchs das Projekt während der Gründung in 2018 einige Male. Es wurde immer reizvoller, einen Schritt weiter zu denken, professioneller zu starten. Die Herausforderung besteht doch darin, solche alten Handwerkstraditionen in die Moderne zu bringen. Es braucht zeitgerechte Methoden, eine zeitgerechte Sprache. Die meisten Betriebe schaffen das noch nicht so gut, dabei wartet eine ganz neue Generation von Whiskyliebhabern auf frischen Input.

Und so erzählen wir seit Tag 1 unsere Geschichte auf vielen verschiedenen Kanälen, von der Baustelle bis zur fertigen Produktion. Wir streben nach Transparenz und Offenheit. Das Ganze mündet in einem modernen Produktdesign, ansprechend für die Barszene, für Messen und Festivals. Wir versuchen das Thema hochwertige Spirituosen anders zu denken, uns ausleben. Vater als Kopf des Handwerks und der künstlerischen Ebene, ich als Sprachrohr und Markenstratege. Bis jetzt gelingt uns das sehr gut.

Vater und Sohn – gibt es da nicht auch Spannungen? Wenn ich daran denke, damals mit meinem Vater gearbeitet zu haben, da flogen schonmal die Fetzen, oder jetzt mit meinen Söhnen, da geht es manchmal ganz schön zur Sache. Wie ist das bei euch in der Brennerei?

In den meisten Fällen verläuft es ruhig. Gerade die Trennung zwischen privat und beruflich leidet da natürlich ein wenig. In der Gründungsphase ist man ständig im Austausch, 24/7 bis spät ins Wochenende rein. Man kann den Stress und vielleicht auch manche Unsicherheit schwer auf Arbeit lassen, es ist einfach zu nah. Aber es hat auch den Vorteil, dass man sich
extrem gut kennt, Vertrauen hat. Das wir zwei verschiedenen Generationen angehören, ist eigentlich auch ein Vorteil, jeder bringt seine Stärken ein.

Wie habt Ihr euer Vorhaben finanziert?

Es war äußerst kompliziert. Eine Bank in Deutschland von einer Whiskybrennerei zu überzeugen, ist scheinbar unmöglich. Wir mussten viele Extrarunden drehen und wurden immer wieder enttäuscht. Letztlich haben wir unseren Weg über private Investoren aus dem erweiterten Bekanntenkreis gemacht. Whisky ist ein sehr konservatives, wertstabiles Produkt. Wenn man einmal den Bau- und Gründungskreislauf durchbrochen hat, kann man mit guter Arbeit wirklich etwas Stabiles aufbauen. Wir haben noch viel vor mit unserer jungen Brennerei und sind offen für neue Kooperationen. Es gibt immer Bereiche in denen man mit zusätzlichen Investitionen starke Mehrwerte schafft, z.B. effizientere Gärtechnik oder ein besseres Energie- und Warmwassermanagement.

Was gibt es im Moment bei euch zu kaufen?

Im Moment gibt es unseren Dry Gin, The Classic Edition. Ein wirklich toller Gin mit saftigen 43,7% Vol. Alkohol, einfach filtriert. Wir wollen die Dinge authentisch halten – deshalb haben wir von Anfang an auf Brenntechnik im traditionellen Pot Still Verfahren gesetzt. Ideal für guten Gin, noch besser für Single Malt. Und da wollen wir hin, 100% ist das Ziel. Schon diesen Frühling werden wir unseren New Make vorstellen, wahrscheinlich Anfang Mai.

Wie seht Ihr die aktuelle Situation, die Corona Krise, welche Auswirkung hat das auf euch als junge Brennerei?

Man sollte sich immer aktiv austauschen, gerade in schlechten Zeiten wie diesen. Bei großen Industriefirmen sind die Abläufe oft so komplex, dass man nur mit sehr viel Aufwand eingreifen und etwas verändern kann. Theoretisch kann unsere Brennerei flexibler reagieren, das versuchen wir auch in dem wir uns verstärkt auf die Produktion konzentrieren. Mehrere Standbeine und Zielgruppen sind das Ziel – nur ist es besonders blöd, dass Gastronomie und Teile des Handels fast komplett blank liegen. Das lähmt uns sehr und verzögert einiges im Bereich Markenaufbau. Auch die Interaktion mit Besuchern, die so viel Spaß mach und ein wichtiger Teil der Arbeit ist, fällt aktuell leider ebenfalls weg. Deshalb freue ich mich auch um so mehr, dass du uns die Chance zu einem Interview gibst.

Wo soll die Reise mit der Brennerei hingehen, was wird es in Zukunft von euch geben?

In einer Welt, in der Regionalität nicht nur ein Lippenbekenntnis ist, sondern täglich weiter an Zustimmung gewinnt, sind die Chancen für lokale Produkte riesig. Whisky muss nicht aus Schottland kommen, auch hier in Erfurt gibt es beste Voraussetzungen für erstklassigen Single Malt. Und das nicht nur auf Grund unserer guten Rohstoffe. Ein gesunder Produktionsausstoß hat enorme Vorteile gegenüber der weltweiten Massenproduktion. Qualität und Kreativität kommen ganz anders zum Tragen, unsere Brennzyklen sind individuell auf unsere Bedürfnisse abgestimmt. Für aufmerksame und entdeckungsfreudige Whiskygenießer gibt es bei uns hoffentlich viel zu entdecken.

Abgesehen von euren eigenen Abfüllungen, welches sind eure Lieblingswhiskys, welche Tropfen könnt Ihr unseren Lesern empfehlen?

Laphroaig Lore, Glendronach Revival 15, smoothe Malts von An Cnoc. Auch die Brennerei Kilchoman hat uns bei unserem Besuch in 2017 sehr begeistert. Zurzeit habe ich einen Cuvée mit Pinot Noir von GlenAllachie offen, sehr guter Dram. Aber auch in Deutschland haben wir schon gute Tropfen probiert, z.B. bei Sasse oder in Zeitz.

Liebe Grüße, Leopold


Wir danken für das Interview und wünschen euch viel Erfolg.

Für alle die mehr erfahren wollen:

Nicolai & Sohn GmbH, Whisky, Kultur, Brennerei
Zum Güterbahnhof 20, 99085 Erfurt, Thüringen

www.nicolaiundsohn.de


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