Irgendwann war klar, ich habe eine Tochter. Doch da hatte ich schon keinen Kontakt mehr zur Mutter. Die Situation traf mich total überraschend, mitten in der Berufsausbildung. Die Geburtsurkunde meiner Tochter zeigte mir einen Ort weit entfernt von Berlin, in einem anderen Bundesland. Was konnte ich tun? Eine Familie leben lassen und kein Teil davon sein – und hoffen, dass alles gut ist? Natürlich Unterhalt zahlen. Das fällt einem als junger Mensch mit bescheidenem Ausbildungsgehalt nicht leicht. Nach der Ausbildung gab es noch die Bundeswehr. Damals herrschte noch Wehrpflicht, also wieder keine großen Möglichkeiten, aber eben auch weit von der Tochter entfernt. 3 Monate in Kassel, danach 6 Monate in Sonthofen, dann stationiert in Berlin.

Die Gedanken waren bei meiner Tochter.

Bei einem Kind, das ich nicht kannte. Irgendwann trifft man eine Entscheidung. Zahle den Unterhalt und lass die Familie leben. Ich hatte mich dafür entschieden. Kein Patchwork. Kein Streit um Besuchsrechte. Die Feststellung der Vaterschaft wurde gerichtlich geklärt. Für alle Beteiligten keine schöne Angelegenheit. Weitere Streitigkeiten wollte ich der Mutter und meiner Tochter ersparen. Vielleicht hätte ich eine andere Entscheidung getroffen wenn ich das kleine Mädchen damals zu diesem Zeitpunkt hätte sehen und in den Armen hätte halten dürfen. Vielleicht hätte das meine Einstellung und mein Leben verändert. Dass ich sie aber damals nicht sah, war für mich ein Zeichen. Die Familie, also Mutter und Oma, brachten meine Tochter nicht mit zum Termin. Ich hätte nur über eine weitere gerichtliche Auseinandersetzung Teil ihres Lebens sein können.

Was führte noch zu dieser Entscheidung?

Ich war, wie ihre Mutter, sehr jung – ein Jugendlicher quasi. Plötzlich Vater zu sein, traf mich wie ein Schlag. Meine Eltern auch. Sie hielten zu mir und unterstützten mich. Doch es war dennoch schwer. Es haftete wie ein Makel an mir, es wurde an vielen Stellen verschwiegen. Wir sprachen wenig bis gar nicht über meine Tochter. Die Auseinandersetzung vor Gericht zur Feststellung der Vaterschaft zerstörte den letzten Funken Hoffnung, auf eine einvernehmliche Einigung oder ein Miteinander. Wir waren jung und andere Menschen steuerten zu diesem Zeitpunkt unser Leben. Emotional und menschlich eine schwere Zeit. Die Richterin, die für die Feststellung zuständig war, behandelte mich fast wie einen Schwerverbrecher. Dabei hatte ich damals nur mit einer Frau geschlafen und eine gewisse Zeit mit ihr verbracht. Ich verdrängte davon vieles, doch es hatte mich eben doch traumatisiert.

Ich entschied, diesen Weg nicht gehen zu wollen und hoffte darauf, dass meine Tochter in einer liebevollen Atmosphäre aufwachsen würde.

Ich erfüllte also nur eine einzige Pflicht: Zahle den Unterhalt. Was es bedeutet, dass ein Kind zu dir „Papa“ sagt und was es mit deinem Herzen macht, das habe ich erst viel später erfahren dürfen. Als mein zweites Kind geboren wurde. Ab diesem Zeitpunkt – diesmal war ich auch Teil der Erziehung – hatte sich meine Sehnsucht nach meiner Tochter weiter verstärkt. Die Ängste aber auch größer gemacht. Als ich verstand, wie zerbrechlich und hilflos diese kleinen Menschen sind, die in unsere Obhut kommen, wurde mir ganz flau. Wie konnte ich nur zulassen, nicht auch Teil ihres Lebens gewesen zu sein. Mir springt jedes Mal das Herz in der Brust, wenn mein mittlerweile Achtjähriger „Papa“ zu mir sagt. Wie konnte ich es zulassen, dass es meine Tochter vielleicht nie zu mir sagen würde oder könnte?

Ich stellte meine damalige Entscheidung infrage, bereute diese sogar. War es ein Fehler? Es war in jedem Fall nicht mehr zu ändern, es fühlte sich auf einmal alles falsch an. Der Glaubenssatz, den ich mir über die Jahre aufgebaut hatte, meine Tochter und ihre Familie leben zu lassen und nur den Unterhalt zu zahlen, erschien mir plötzlich falsch. Ausgelöst durch ein Wort mit 4 Buchstaben: Papa!

Meine Tochter und ich schreiben abwechselnd über unsere Momente. Hier findet ihr Teil 3 Piratentochter und hier ihren Teil 5.


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